Wer ist der Mittelstand? Wer verkörpert ihn? Grafik mit freundlicher Genehmigung des IfM Bonn:
[Photo]
Mittelständische Unternehmen sind inhabergeführt. Die Unternehmerin, der Unternehmer ist Motor seines Betriebes. Sie/er trägt das Risiko, hat das eigene Geld ins Unternehmen gesteckt und entscheidet, was zu tun ist. Gemäß einer Auswertung des Institutes für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn aus dem Jahr 2008 sind 99,7 % der mittelständischen Unternehmen Betriebe KMU (kleine und mittelgroße Unternehmen), die unter 50 Mio Euro Jahresumsatz machen und bis zu 499 Mitarbeiter beschäftigen. Das sind fast alle Betriebe in Deutschland. Geht man noch einen Schritt weiter, verkörpern laut IfM-Statistik 3.169.144 Firmen mit unter 10 Mitarbeitern und einem Umsatz von bis zu 10 Mio Euro im Jahr die deutsche Unternehmenslandschaft. Somit also eher kleine Unternehmen, die gegründet werden, arbeiten und wieder schließen, ohne das die Volkswirtschaft den Einzelnen registriert.
Lassen Sie uns diesen überwältigenden großen Teil des Mittelstandes nur für diese Betrachtung als „Kleinen Mittelstand“ definieren.
Wie finanziert sich der Mittelstand?
Hier hat das IfM folgende Finanzierungsmöglichkeiten nach Bedeutung ermittelt:
1. Selbstfinanzierung aus Gewinn, Abschreibungen, Rückstellungen 2. Bankkredite 3. Gesellschafter-/Familiendarlehen 4. Fördermittel 5. Lieferantenkredite 6. Einlagen-/Beteiligungsfinanzierung
Ausgangslage heute für den Kleinen Mittelstand:1. Gewinn, Abschreibungen und Rückstellungen werden nicht mehr in der Höhe zur Verfügung stehen wie in wirtschaftlich guten Zeiten. Ertragsrückgänge führen zur Investitionszurückhaltung, wer nicht investiert kann auch nicht abschreiben. Rückstellungen aus guten Zeiten werden für den Betriebserhalt eingesetzt, neue Rückstellungen selten gebildet. Fazit: Die wichtigste Finanzierungsmöglichkeit des Mittelstandes wirkt nicht mehr.
2. Banken und Basel II sorgen für eine völlig neue Definition des zweitwichtigsten Mittelstandfinanzierungswerkzeugs. Große Bankkonzerne ziehen sich nicht erst jetzt sondern schon seit Jahren aus dem Mittelstand, vor allem aus dem kleinen Mittelstand zurück. Die Kreditneuvergabe wird immer restriktiver gehandhabt, vorhandene Linien werden neu bewertet und zurückgefahren. Banken erkennen andere, lukrativere Geschäftsfelder wie Investmentbanking und Provisionsgeschäfte. Es hat den Anschein, Basel II diene als Alibi zur weiteren Bereinigung des Kundenstammes. Die Kleinen bleiben auf der Strecke. Fazit: Finanzierungsmöglichkeit Nr. 2 ist nicht mehr für jeden in der benötigten Form verfügbar.
3. Unter der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und speziell der unter Punkt 1 und 2 bereits aufgeführten rückläufigen Hauptfinanzierungsmöglichkeiten wächst die Sorge, keinen Ertrag mehr aus investiertem Kapital zu erhalten. Dies führt bei Gesellschaftern und Familienkreditgebern dazu, das Engagement noch einmal unter Sicherheits- und Ertragsaspekten zu beurteilen. Im Zweifelsfalle erscheint es sicherer, die finanziellen Mittel mit 3 % Verzinsung in ein langfristiges steueroptimierendes Versicherungsmodell zu stecken als in einen Mittelstandsbetrieb. Fazit: Durch Umschichtungen der privaten Kapitalanlagen verliert der Mittelstandsunternehmer den drittwichtigsten Finanzierungshelfer.
4. Fördermittel eignen sich nur für einen kleinen Kreis der größeren mittelständischen Unternehmen. So liegt die Mindestbeteiligung förderorientierter Beteiligungsgesellschaften bei über 100 T Euro, Gewerbsmäßige Venturekapitalgeber starten nicht unter 250 T Euro. Das neue Microdarlehen gilt nur für Existenzgründer und ganz junge Firmen. Mittelstandsorientierte Förderprogramme erreichen selten den Adressaten. Kreditinstitute, die vielfältig als Mittler fungieren sollen, beklagen unzureichende Durchleitungsmargen. Die großen Förderkörbe z.B. aus der EU hängen schaon aufgrund des Vergabeprozederes zu hoch für den Kleinen Mittelständler. Fazit: Förderprogramme als Finanzierungsalternative sind nicht attraktiv für den Kleinen Mittelstand.
5. Bleiben die Lieferantenkredite. Wenn da nicht wieder Basel II wäre. Denn gerade die Lieferanten werden sich zukünftig den Ratings unterziehen müssen. Da steht auch, dass ein schneller Kapitalrückfluß sich positiv auf das Ratingergebnis auswirkt. Die schwierige Finanzlage der Mittelstandes führt dazu, dass die Lieferanten zunehmend die Einhaltung kurzer Zahlungsziele fordern werden. Fazit: Lieferantenkredite als Finanzierungsquelle fallen aus.
6. Über eine Einlagen- oder Beteiligungsfinanzierung haben bisher nur wenige kleine Mittelständler nachgedacht. 2.033.853 der 1998 vom IfM gezählten Unternehmen sind Einzelfirmen, 239.908 oHGs, 25.304 GmbHs und 340.875 GmbH & Co. KGs. Die Einzelfirmen kennen keine Beteiligungskonzepte, kleine GmbHs und oHGs versorgen sich mit den unter 3. Genannten Finanzierungsalternativen. Hier scheint der Weg aus der Krise zu sein.
Wo sind die Hebel anzusetzen?
Der kleine Mittelstand verfügt über zu wenig Eigenkapital – diese Fehlentwicklung muß schnellstens und unkonventionell korrigiert werden. Dafür ist unerheblich, wer ab Oktober in Deutschland regiert. Es ist eine elementare Aufgabe jeder Regierung, dieses Problem, welches deutsche Unternehmen auch im europäischen und internationalen Wettbewerb benachteiligt, schnell und unkonventionell zu lösen. Zunächst einige Fakten zum Thema Eigenkapitalquote:
1. Was ist Eigenkapitalquote? Die Eigenkapitalquote ist das prozentuale Verhältnis des Eigenkapitals zur Bilanzsumme EK/(EK+FK). Sie ist eindeutiger Indikator der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität des Unternehmens. Je höher die Eigenkapitalquote, um so wahrscheinlicher können eventuell auftretende Verluste ausgeglichen werden.
2. Internationaler Vergleich Die Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen hat sich heute zwar verbessert . Bei den kleinen Mittelständlern sieht es allerdings wesentlich dramatischer aus. Hier sind Quoten unter 10 % eher normal. Dadurch begründet sich der hohe Fremdkapitalbedarf, der bisher durch Bankkredite abgedeckt wurde.
3. Keine Möglichkeiten, selbst Eigenkapital aufzubauen Hohe Steuern und Sozialabgaben, Preiskämpfe in allen Branchen, schlechte Zahlungsmoral und gestiegene Forderungsausfälle verhindern die Eigenkapitalaufstockung aus eigener Kraft.
Es muss attraktiv werden, den kleinen Mittelstand mit kleinen Summen beim Aufbau von Eigenkapital zu unterstützen. Hier stellt sich die Aufgabe für die Regierung. Nicht als Subvention, nicht als komplizierte Förderung oder Darlehen sondern als allgemeinverständliche Maßnahme müssen hier Akzente gesetzt werden. 4,5 Billionen Euro Vermögen in privater Hand (Bundesbank,Monatsbericht Nov. 2008)warten auf Einsatzmöglichkeiten .
Was bietet der Kapitalmarkt dem kleinen Mittelständler für Nutzen?
Dieses Thema ist schnell behandelt. Leasing ergibt den Vorteil, die Nutzungskosten auf mehrere Perioden aufzuteilen. Hier schöpft der kleine Mittelständler im Moment Reserven die aber nur scheinbar wirken. Denn ein hoher Leasinganteil im Anlagevermögen beeinflusst wiederum die Bonität des Unternehmens negativ.
Factoring, d.h. Verkauf von Forderungen an eine Factoringgesellschaft als Vertriebsfinanzierung fällt von vorherein aus. Die meisten Gesellschaften fangen erst bei 1,5 Mio Euro Umsatzpotenzial an – das erreichen die Kleinen Mittelständler gar nicht erst. Hier könnte ein Modell für kleine Mittelständler – zum Beispiel Poolbildung – von hohem Nutzen sein.
Venture Capital Gesellschaften interessieren sich nicht für den kleinen Mittelstand. Unabhängig davon, dass das Umsatzvolumen des Kleinen Mittelständlers es nicht erlaubt , überhaupt in Gespräch zu kommen, verlangen sie neben aufzeigbaren Exitmöglichkeiten (Verkauf der Anteile i.d.R. nach 3-5 Jahren) kompetentes Management, Controlling, Planungssystem und klar erkennbare Wettbewerbsvorteile. Venture Capital als Alternative fällt aus.
Die Mittelstandsbank soll unter dem Dach der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) zusammengefasst werden. Sie soll sich vor allem um die Geldbeschaffung für Existenzgründer und den Mittelstand kümmern.
Mobilisierung des privaten Vermögens in Deutschland
Es scheint verwegen, in einer Zeit, in der manche Politiker über eine Besteuerung des Privatvermögens nachdenken, einen Vorschlag zu unterbreiten, der scheinbar die ohnehin Vermögenden noch reicher machen kann. Was aber heute in Deutschland fehlt, ist ein Anreiz für Vermögende, ihr Kapital auch unter Akzeptanz von Risiko zu investieren. Der Grundgedanke ist einfach.
Da der kleine Mittelstand derzeit nicht in der Lage ist, seine Eigenkapitalstruktur aus eigener Kraft zu verbessern, empfiehlt es sich nicht, staatlicherseits zu subventionieren oder Kreditprogramme zu initieren. Das private Vermögen muß mobilisiert werden. Der Staat kann dabei sogar als lachender Dritter mittelfristig seine Steuereinnahmen verbessern.
Das Paket „KMU-Wagniskapital“ könnte – vereinfacht dargestellt – wie folgt aussehen:
Jeder hat die Möglichkeit, steuerbegünstigt als Eigenkapitalbildung in eine KMU-Kapitalgesellschaft zu investieren. Der Kapitalanteil darf jedoch 40 % des Stammkapitals nicht überschreiten. Aufgrund der Risikos einer solchen Investition darf er diese Kapitalbeteiligung, die er eigenkapitalerhöhend und für mindestens 5 Jahre einbringen muss, im Jahr der Investition zu 100 % als Verlust aus Unternehmensbeteiligung steuerlich abschreiben. Dies gilt auch für die Beteiligung von juristischen Personen an KMU. Hier darf die Investionsumme nicht mehr als 50% des Gewinns vor Steuern betragen.
Damit wird erreicht:
1. Dass das derzeit in Deutschland mehr oder weniger geparkte private Investionskapital mobilisiert wird. 2. Dass viele Einzelunternehmen aufgrund der neuen Konstellation in Kapitalgesellschaften umfirmieren und damit einfacheren steuergesetzlichen Regulierungen unterliegen. Die Trennung von Privat- und Geschäftsvermögen wird deutlicher. 3. Wenn die Beteiligung Gewinn abwirft, muss dieser versteuert werden. 4. Die Professionalität der KMUs in Sachen Betriebswirtschaft zunimmt. 5. Dass der Kapitalgeber nicht vom ersten Jahr an Ausschüttungen erwartet, dem Unternehmen Zeit zum Wachsen geben muss.
Was kann passieren?
1. Die Firma, in die investiert wurde, wird insolvent. Dann ist der Verlust des Investors um die Steuerersparnis bereinigt ein halber Schmerz (mit dem Finanzamt geteilt).
2. Die Firma bekommt durch den Eigenkapitalzufluss einen positiven Schub und wirft vom 1. Jahr an Gewinne ab. Dann muss der Gewinn versteuert werden. Finanzamt und Investor sind zufrieden.
3. Die Firma erwirtschaftet keine Erträge, die sich der Investor vorgestellt hat, er zieht sein Kapital nach der Mindestlaufzeit von 5 Jahren zum testierten (!) Wert wieder aus dem Unternehmen – dann zahlt er die Steuern zurück, die er zu Beginn des Investments gespart hat.
Auszug aus TEAM: Toll, Ein Anderer Macht´s